Mittwoch, 3. August 2011

Das Ende naht

Wie schnell so ein Jahr vergeht ist unglaublich! Die vergangenen Monate waren voller Hoehen und Tiefen: Am Anfang war ich voller Neugierde, in der Mitte hatte ich genug von dem Alltagstrott, und jetzt will ich gar nicht mehr weg!

Persoenlich habe mich sehr veraendert in diesem Jahr. Ich habe gelernt geduldiger zu sein. In diesem Land muss man immer auf irgendetwas warten: Busse, Menschen und selbst die Kinovorstellungen oder das Flugszeug haben Verspaetung.

Mit Dingen umzugehen, die man nicht mag, hat mich toleranter gemacht. Vor allem aber habe ich viel Selbststaendigkeit aufbringen muessen. Und im vergangenen Jahr habe ich immer wieder erfahren, dass ich mich nur auf mich selbst verlassen kann.
Das Wichtigste aber ist, dass ich eine neue Sprache, Freunde und Heimat dazu gewonnen habe.

Das Jahr hat mir einen Einblick in das Leben und die Kultur von Bahia geschenkt. Jetzt weiss ich, was es wirklich heisst, wenn in den heimischen Nachrichten von Favelas, Armut und Umweltverschmutzung geredet wird. Leider lassen sich diese Probleme nicht von heute auf morgen aendern. Aber ich will weiterhin mit Menschen arbeiten und etwas fuer die Umwelt tun.

Terra Mirim Geburtstag, Sao Joao und Umwelttage

Im Juni werden im Brasilianischen Nordosten mehrere Feste gefeiert (festas juninas). Aber die Feste haben nicht mehr viel mit den religioesen Sitten zu tun, sondern nuetzt den Brasilianern um gross zu feiern.

Speziell das Fest des heiligen Johannes (São João), welches vor allem in Bahia intensiv begangen wird, ist das zweitgrösste brasilianische Fest (neben dem Karneval) und war ursprünglich ein Fest der Bauern, die man hierzulande mit "Caipiras" bezeichnet. Und wenn die Städter nun "São João" feiern, dann gehört es sich, dass man als "Caipira" verkleidet erscheint: Die Frauen und Maenner tragen Strohhuete und karierte Roecke, bzw. Hemden.

Ansonsten kann man sich Sao Joao wie Kirmes vorstellen. Beim Fest gibt es Kuchen und Leckereien aus gekochten Erdnüssen (Amendoim), Orangen und Mais in allen erdenklichen Variationen, da im Juni die ideale Erntezeit dafür ist. Dazu gibt es Forro-Musik, mit Akkordeon, Trommel und Triangel. Das klingt erst einmal nicht sonderlich aufregend, aber man kann nur staunen, welche Stimmung mit einer so einfachen Grundausstattung erzeugt werden kann. Neben dem Tanz werden auch Spiele veranstaltet. Fuer die Paerchen gibt es Tanzspiele und fuer die Singles einen Stand, an dem man einen Kuss oder eine Nachricht fuer 50Cent kaufen/verkaufen kann. Die Kinder vergnuegen sich beim Fischefangen und Buechsenwerfen. Feuerwerk und Knallkörper gehören ebenfalls dazu.

Weil Sao Joao in den Schulferien liegt, haben wir in Terra Mirim schon frueher gefeiert, nämlich an dem Wochenende, als der 19. Geburstag von Terra Mirim zelebriert wurde! Dabei erzaehlte Alba die Geschichte von Terra Mirim. Es wurde getanzt und Kuchen gegessen.

Ebenfalls Mitte Juni veranstaltete Terra Mirim an zwei Tagen, Tage der Umwelt. Dazu wurden Schueler der Mittelstufe aus den umliegenden Schulen eingeladen. Sie wurden spielerisch mit den Umweltproblemen ihres Landes konfrontiert.

Lukas, ein Bewohner und Schauspieler von Terra Mirim, begann mit Aufwaermspielen. Anschliessend erklaerte Isabel mit einer Powerpointpraesentation, wie wichtig es ist die Natur zu schuetzen. Dabei zeigte sie Bilder von der Mata Atlantika (Atlantischer Regenwald an der Kueste von Brasilien). Sie erstreckte sich einst flächendeckend über die gesamte Ostküste und ist heute einer der am meisten bedrohten tropischen Wälder. Durch die Abholzung wurde die Fläche auf 7% reduziert. Die Mata Atlântica ist für Brasilien besonders wichtig, da hier etwa 110 Millionen Menschen leben und circa 70% des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet werden. Besonders für die großen Hauptstädte wie São Paulo, Rio de Janeiro oder Salvador speichert die Mata Atlântica wichtige Trinkwasserreserven und trägt zur Reinhaltung der Luft bei.

Danach wurden den Jugendlichen die friedlichen Bienen und die Honigproduktion gezeigt und wie man Komposterde herstellt.

Mir persoenlich macht es immer am meisten Spass, wenn Gruppen mit Jugendlichen hier sind. Denn, ausser einer Mitfreiwilligen und zwei Einheimischen, sind Tabea und ich hier die einzigen jungen Leute.

In der Schule habe ich letzte Woche zum ersten Mal mit den Kindern gebacken. Da haben sie mich am Schluss ernsthaft gefragt, was sie mit dem Teig machen sollen: essen oder wegwerfen. Die meisten haben noch nie mit ihren Eltern gemeinsam in der Kueche gewerkelt. Die Kinder waren daher voller Freude dabei. Ein anderes Mal hat mich eine Lehrerin, mit der ich immer zum Kindergarten gehe, gefragt wo Deutschland liegt und war ganz ueberrascht, dass es auch in Europa ist. Diese Momente zeigen mir, wie viel hier noch in Erziehung und Bildung investiert werden muss, und dass auch meine Arbeit ein kleiner Baustein dafuer ist!